Editorial: Ein Gedanke zum neusten Streich der Telekom – Drosselung.

Ab dem 2. Mai 2013 werden alle Neuverträge für DSL-Anschlüsse über eine Klausel verfügen, die es der Telekom ermöglicht die Geschwindigkeit zu drosseln.
Was das genau bedeutet, warum es die Netzneutralität gefährdet und was ich davon halte; das will ich euch hier mal erklären.




Die Geschwindigkeits-Drosselung kennen viele schon von ihren Handyverträgen.
Eben surfte man noch mit angenehmer Geschwindigkeit über die Wellen des Internets und im nächsten Moment wird schon eine Google-Suche zum Spiel mit der Geduld.
Will man die ursprüngliche Geschwindigkeit wieder zurück, muss gezahlt werden.
5€ verlangt die Telekom dafür, dass der Zähler des Volumens zurückgesetzt wird.

Das große Problem dabei ist, dass das Web nicht auf so langsame Übertragungsraten eingestellt ist.

Große Volumina sind teuer.
Für eine Flatrate, die erst nach 3GB gedrosselt wird, sind zwischen 20€ und 30€ fällig.
Grundsätzlich ist eine Drosselung ja kein Problem und schont das Netz. Ist man allerdings LTE-Geschwindigkeiten von 50Mbit/s gewohnt, bleiben einem nach der Drosselung auf 64 kbit/s gerade einmal  0,128% der ursprünglichen Leistung.
Auch weniger verwöhnte Nutzer, die mit den standartmäßigen 7,2 Mbit/s durch die Weiten des Netzes schippern, büßen 99,2% der Geschwindigkeit ein.
Das große Problem dabei ist, dass das Web nicht auf so langsame Übertragungsraten eingestellt ist.
Viele Websites, auch unsere, bieten Bilder und Grafiken. Videos werden mitsamt dem Player in Artikel eingebunden. Mit 64 kbit/s wird vieles so gut wie unnutzbar.

In Zeiten von großen Bildern, Bannern und Animationen, wo Youtube in HD-Qualität überträgt und Handys mit mittlerweile 13 Megapixeln Bilder ins Netz stellen, sind 384kb/s einfach zu wenig.

Nun will die Telekom dieses Prinzip aus dem Mobilfunk bei DSL-Leitungen anwenden.
Zugegeben, die Volumina sind größer und die Basisgeschwindigkeit ist schneller, aber viele Nutzer werden dennoch große Probleme mit den neuen Verträgen haben. Der Plan sieht vor, dass alle Kunden mit einer Geschwindigkeit bis 16 Mbit/s, also alle mit DSL 1000 bis DSL16000+, nach 75 GB gedrosselt werden. Alle Kunden die eine Verbindungsgeschwindigkeit von 16 Mbit/s bis 50 Mbit/s haben (VDSL25 und VDSL50), bekommen nach 200 GB die Bremskraft der Telekom zu spüren.
Nutzt man das Telekom Fiber Angebot über Glasfaser, dann drosselt die Telekom erst nach 300 GB bei der 100 Mbit/s Leitung und nach 400 GB bei der 200Mbit/s Leitung.
Die Drosselung funktioniert hierbei ähnlich wie in den Mobiltarifen.
Hat man das Datenlimit überschritten, bleibt einem nur ein Bruchteil der Ausgangsgeschwindigkeit.
Mit 384 Kilobit in der Sekunde ist man zwar deutlich schneller unterwegs, als mit einer gedrosselten mobilen Leitung, wobei schnell auch maßlos übertrieben ist.
In Zeiten von großen Bildern, Bannern und Animationen, wo Youtube in HD-Qualität überträgt und Handys mit mittlerweile 13 Megapixeln Bilder ins Netz stellen, sind 384 kbit/s einfach zu wenig.

Ein wirkliches Nutzen des Netzes wird nahezu unmöglich.

Ein Beispiel gefällig?
Unsere Seite ist für heutige Verhältnisse spartanisch. Keine Animationen und Banner und pro Artikel maximal ein Bild auf der Startseite. Bei 384 kbit/s schlagen die rund 1,5 MB unserer Startseite mit über 30 Sekunden Ladezeit zu Buche. Laut Chip braucht man mit 384kbit/s ellenlange 1:30 Minuten um die Homepage der Telekom aufzurufen.
Ein wirkliches Nutzen des Netzes wird nahezu unmöglich.
Natürlich kann die Telekom den Anschluss wieder freischalten. Das kostet allerdings.
Die Telekom rechtfertigt ihr Vorgehen mit der immer größer werdenden Datenmenge und dem Ausbau der Glasfaser-Netze.
Diese Rechtfertigung erscheint uns allerdings scheinheilig, da sie in keinem Bezug zueinander stehen und die Telekom wichtige Informationen zurückhält.

Dem Kabel ist es egal, ob es gerade Daten überträgt oder nicht.

Die Rechtfertigung der Telekom:
„Auf der einen Seite wächst das Datenvolumen exponentiell. Die Netze müssen also massiv ausgebaut werden und das kostet Milliarden. Auf der anderen Seite kennen die Telekommunikationspreise seit Jahren nur eine Richtung: abwärts und das rasant.“

Die angestiegene Datenmenge ist unumstritten. Natürlich werden mehr Daten übertragen, wenn immer mehr Geräte möglichst hochauflösende Bilder aus dem Internet ziehen.
Die Leitung ist hierbei aber nicht wichtig. Allein eine Maximalgeschwindigkeit kann physikalisch bestehen. Mit dieser Geschwindigkeit kann das Kabel allerdings dann ständig übertragen, ohne Nachteile zu haben.
Dem Kabel ist es egal, ob es gerade Daten überträgt oder nicht.
Viel wichtiger für die Datenmenge ist ein sogenannter Backbone. Das Backbone ist ein Teil des Netzes, durch den die Betreiber ihre Datentransfers ableisten. Diese Netze sind meistens per Glasfaserkabel realisiert und erreichen sehr hohe Übertragungsraten. Um Teilausfälle dieses Netzes Abzufangen wird immer ein Teil der Kapazität zurückgehalten. Da über den Backbone der Telekom tatsächlich der gesamte Datenverkehr der Telekom abgedeckt wird, könnte ein sprunghafter Anstieg des Datenvolumens schon zu Engpässen führen.
Wie weit das Backbone der Telekom ausgelastet ist, konnten wir nicht herausfinden.
Das aber die 3%, die laut der Telekom durch die Drosselung eingeschränkt werden, das gesamte Backbone ins wanken bringen darf, bezweifelt werden. Erst gestern ist auf dem Telekomeigenen Blog ein Interview mit der „Welt“ erschienen, in dem Niek Jan van Damme, Deutschland-Chef der Telekom, selbst klar stellt, dass der Schritt der Drosselung zur Zeit nicht nötig sei, aber präventiv für die Zukunft angegangen werden müsste. Gleichzeitig wird ebenfalls in fast allen Medien vergessen, dass die Übertragungsraten von Glasfaser praktisch unendlich ist. Da die Signale optisch übertragen werden, braucht man nur die Geräte an den Enden des Kabels zu verbessern um größere Geschwindigkeiten zu erzeugen.
Der aktuelle Rekord mit einem Glasfaserkabel aus 12 Fasern liegt bei 1 Petabit/s. Das sind 125 Terabyte an Daten, oder das monatliche 75 GB Volumen von 1666 Telekom-Kunden in einer Sekunde!
Bei dem derzeitigen Fortschritt in der Übermittlung von Daten per Glasfaser ist also fraglich, ob das Backbone der Telekom in nächster Zeit gefährdet sein wird.

Stattdessen will die Telekom mit den Mehreinnahmen das Glasfasernetz in Deutschland ausbauen. Wobei auch das nicht ganz der Wirklichkeit entspricht.

Die Telekom hat schon überall in Deutschland Glasfaserleitungen liegen. Diese reichen aber nur bis zu den Verteilerkästen und nicht bis in die Haushalte. Eine riesige Fehlinvestition. In Zeiten in denen LTE und der niedrigen 800Mhz Frequenz real 20 Mbit/s durch die Luft überträgt, ohne dass die Telekom daran verdient kann, ist die DSL-Geschwindigkeit von maximal 16Mbit/s im Kupferkabel natürlich tödlich.
Da dieser Trend allerdings schon vor 10 Jahren klar war bleibt die Frage offen, warum das Unternehmen nicht schon damals massiv investiert hat.

Gut die Probleme der Telekom und der Kupfernetze ist das Eine.

Die Drosselung schafft Raum für das Aushebeln der Netzneutralität. 

Sie geht aber einen entscheidenden Schritt weiter.
Die Drosselung schafft Raum für das Aushebeln der Netzneutralität.
Schon der Deal zwischen dem Musikdienst Spotify und der Telekom stieß schon auf Widerstand. Hierbei abonniert man das Premium-Paket von Spotify direkt in seinem Mobil-Vertrag der Telekom und alle Daten, die der Dienst verbraucht werden nicht auf das Volumen vor der Drosselung angerechnet.

„Der Begriff Netzneutralität bezeichnet die neutrale Übermittlung von Daten im Internet, das bedeutet eine gleichberechtigte Übertragung aller Datenpakete unabhängig davon, woher diese stammen, welchen Inhalt sie haben oder welche Anwendungen die Pakete generiert haben.“

Das Prinzip der Netzneutralität besagt aber:
„Der Begriff Netzneutralität bezeichnet die neutrale Übermittlung von Daten im Internet, das bedeutet eine gleichberechtigte Übertragung aller Datenpakete unabhängig davon, woher diese stammen, welchen Inhalt sie haben oder welche Anwendungen die Pakete generiert haben.“ (Anm. d. Red.: Die Definition stammt vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. Mittlerweile ist die Seite nicht mehr erreichbar, wir haben den Bundestag um eine Erklärung gebeten.)

Bei 384kb/s nach der Drosselung wären die Telekomdienste die einzige Möglichkeit
über das Internet auf flüssig laufendes Videomaterial zuzugreifen.

Auf der Festnetzseite hebelt die Telekom dieses Prinzip nun auch völlig aus. Hier wird der Datenverkehr, den der Telekom eigene Entertain-Dienst, nicht auf das Volumen angerechnet.
Der Wettbewerbsvorteil ist klar ersichtlich.
Viel schlimmer ist aber dieser Effekt in der Kobination mit der Art der Drosselung.
Bei 384kb/s nach der Drosselung wären die Telekomdienste die einzige Möglichkeit über das Internet auf flüssig laufendes Videomaterial zuzugreifen. Videodienste wie Watchever, Lovefilm, iTunes oder Youtube sind der Telekom gleich doppelt im Weg. Zum Einen verursachen diese große Datenmengen und zum Anderen sind sie direkte Konkurrenz im Videomarkt.

Sollte die Telekom die neuen Klauseln 2016 durchsetzen könnte es in Zukunft bedeuten, dass die Telekom auch anderen eigenen Diensten diese Privilegien einräumt und andere Dienste nur gegen Aufpreis zulässt. Wohin ein solches Vorgehen führen kann hat der Journalist und Blogger André Vatter in der unten stehen Grafik eher ironisch gezeigt.

 

Das Internet sollte allerdings neutral sein.
Es verhindert, dass sich die Netzinhaber Wettbewerbsvorteile sichern, oder ihre Position dazu nutzen politischen Einfluss auszuüben.
Hier muss die Politik eingreifen. Der Niedergang der Netzneutralität verändert sich das Internet vollkommen. Die Telekom hat als Netzbetreiber ein machpolitisches Interesse dieses Prinzip auszuhebeln.
Im mobilen Bereich haben es die Anbieter schon in den letzten Jahren die Neutralität zu untergraben.
Skype auf dem Smartphone?
Nur gegen eine Gebühr. 
Schon zum zwanzigsten Geburtstag des Internets, im Jahr 2010, veröffentlichte Internet-Erfinder Tim Berners-Lee einen Appell an die Nutzer die Netzneutralität zu schützen.   

Bei einem täglichen Datenverkehr von 8-15 Gigabyte würden mir in manchen Monaten sogar die teuren Glasfaserverträge der Telekom nicht reichen.

Wir hier in Deutschland haben ein großes Problem.
Das Netz gehört der Telekom. Die Telekom muss das Netz nur anderen zugänglich machen. Dafür erhält die Telekom aber Gebühren. Sollte die Telekom diese Gebühren anheben könnten auch andere Anbieter die Drosselung einführen. Ich selbst bin zum Glück erst einmal nicht betroffen. Ich beziehe meine Internetverbindung durchs TV-Kabel. Bei einem täglichen Datenverkehr von 8-15 Gigabyte würden mir in manchen Monaten sogar die teuren Glasfaserverträge der Telekom nicht reichen.
Ja, die gibt es schon. Drosselung ist natürlich inklusive.

Aus Sicht der Telekom ist ein solcher Schritt zum jetzigen Zeitpunkt allerdings genau richtig. Mit den sehr kleinen Volumen und starken Drosselungen bleibt der Telekom genug Raum, um gefahrlos ein wenig zurück zu rudern. 
Wichtig für Verhandlungen mit der Politik.
Wir als Nutzer müssen aber gegen jede Art der Drosslung vorgehen, solange die Telekom gleichzeitig den Zugang zu ihren eigenen Diensten nicht drosselt.

Mit den Worten von Tim Berners-Lee:
Das Netz ist nicht nur maßgebend für die digitale Revolution, sonder auch für unseren anhaltenden Wohlstand – sogar für unsere Freiheit. Doch ähnlich wie die Demokratie selbst, muss man es verteidigen. (Übersetzt aus dem Englischen)

(Update  08.05.2013: Rechtschreibung geprüft von Christian Rieseberg)

Ein Gedanke zu „Editorial: Ein Gedanke zum neusten Streich der Telekom – Drosselung.

  1. Pingback: Nebelkerzen im kräftigen Magenta | thetechnologicals

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s