Sie bringen uns zum Lachen und zum Weinen, sie lassen uns einen Schauer über den Rücken laufen oder uns freuen wie ein Toastbrot. Kaum ein anderes Medium spielt so mit unseren Gefühlen wie Videospiele und treiben uns damit bis an den Rand unserer Vorstellungskraft.
Ich hatte es mir schon so schön vorgestellt: während die Welt um uns langsam in ihrem eigenen Wahnsinn versinkt, sitze ich mit meiner Angebeteten auf einer kleinen Veranda, von einem Elektrozaun umgeben, und schaue zu, wie im fernen Westen ein Zombie die rote Abendsonne streift. KNALL!!! Sie ist tot. Meine Seelenverwandte ist tot. Erschossen von einer Frau die ich eigentlich schon längst hätte aus der Gruppe schmeißen sollen. So holte mich mit einem Schlag die grausame Realität des Tell Tale Adventures „The Walking Dead“ wieder ein.
Wie als ob ich es gerade im Real-Life erlebt hätte sitze ich versteinert da. Das Spiel hatte mich zu diesem Zeitpunkt mit seiner Geschichte und seinen tollen Figuren völlig in seine Welt gezogen. Ich merkte wie meine Augen sich langsam mit Tränen füllten und mein Schock und meine Trauer in Wut umschlugen. Ohne lang zu überlegen schmiss ich die Mörderin aus der Gruppe und überließ sie ihrem Schicksal. Dann musste ich das Spiel anhalten und über das nachdenken, was gerade fiktiv auf meinem Fernseher passiert war. Nach einiger Zeit wurde mir klar, dass ein Spiel es gerade wieder geschafft hatte mich mit meinen Gefühlen zu überrumpeln.
„The Walking Dead“ ist ein hervorragendes Beispiel für die Kraft, die Emotionen in Videospielen haben können aber natürlich nicht das einzige: Spiele wie „Mass Effect“ bauen gleich ein emotionales Netzwerk von Beziehungen zwischen Charakteren über mehrere Teile auf und „Havy Rain“ ist mit seiner filmischen Inszenierung prädestiniert dafür uns auf emotionale Irrwege zu führen. Dabei ist nicht jede Art von Emotion in Videospielen gleich. Grundlegend kann man zwischen zwei Haupttypen unterscheiden. Zum einen wäre da unser Mitgefühl. In diesem Fall baut das Spiel mit Hilfe von Emotionen, welche durch die Figuren im Spiel vermittelt werden, beispielsweise eine Beziehung zwischen Figuren auf und lässt einen davon dann unter die Erde wandern. Unser Charakter trauert um die Figur und wir als Spieler Entwickeln sofort Mitgefühl und trauern ebenfalls.
Der zweite Fall von Emotionen ist der, welcher bereits in der Einleitung beschrieben wurde. Dabei müssen die vom Spieler empfundenen Emotionen gar nicht im Spiel selbst vorkommen. Während des Spielens bauen wir selbst gewisse Beziehungen zu anderen Figuren auf, ohne das unsere Spielfigur im Spiel gleich empfindet. Diese Art von Emotionen in Videospielen (obwohl es in diesem Fall „beim“ Videospielen besser trifft) ist durchaus intensiver, da wir von der Handlung noch direkter betroffen sind.
Egal welche Art von Emotion gerade beim Zocken greift, beide sind enorm wichtig für unser Spielerlebnis. Spiele die es schaffen unserer Gefühle in ihren Bann zu ziehen bleiben oft besser in Erinnerung als Spiele, die zum Beispiel mit einer bombastischen Grafik punkten. Das heißt jetzt aber nicht, dass Emotionen nur durch gut geschriebene Charaktere hervorgerufen werden können. Als 2012 „Journey“ für die Playstation 4 erschien gab es keine Epische Story, welche uns an die Figuren band, keine Dialoge oder Mimik, die uns zeigte wie unser Charakter gerade tickt. Es gab nur den Spieler und die Einsamkeit. Mit unserer Spielfigur machten wir uns instinktiv auf den Weg zum einzigen Berg in einer sonst leeren Wüste. Die Situation war dabei keineswegs traurig. Wir waren neugierig was uns alles erwarten würde aber trotzdem blieben wir allein. Als wir uns gerade an die Einsamkeit gewöhnt hatten, tauchte plötzlich eine zweite Figur auf, die so aussah wie wir selbst. Das Spiel hatte uns mit irgendeinem fremden Spieler auf der Welt verbunden und ohne zu Sprechen galt es nun sich abzustimmen und gemeinsam den Berg zu erreichen. Am Ende der Reise hatten die meisten Spieler wohl einen neuen Freund gefunden, ohne jemals mit ihm gesprochen zu haben. So versetzte das Spiel die Spieler in einen Gefühlsmix aus Freude und Abschiedsstimmung, weil die Reise nun vorbei war.
Es gibt allerdings auch Spiele, die komplett auf irgendwelche Figuren verzichten und mit ganz anderen Mitteln Emotionen wecken. „Flower“ ist so ein Spiel. Allein mit Hilfe von Farben und Musik wird der Spieler in verschiedenen Stimmungslagen versetzt. Eine Story gibt es nicht. Lediglich als Wind treibt der Spieler Blüten vor sich her und erlebt dabei grüne Wälder und graue Industrielandschaften. Der Unterschied zum reinen Musikhören und sich dabei treiben lassen ist ein ganz entscheidender: Durch die Interaktion ist es möglich noch mehr in die Welt und damit unserer Gefühle einzutauchen. Die unterschiedlichen Landschaften erwecken in uns ganz bestimmte Stimmungen, die widerum dafür sorgen, dass wir das erlebte reflektieren. Das Spiel schafft so eine direkte Verbindung zur Wirklichkeit. Im Fall von „Flower“ wird dem Spieler ein Bezug zwischen Mensch und Natur gezeigt.
Wir haben nun gesehen, auf welche unterschiedlichen Arten Videospiele in uns Emotionen hervorrufen können. Im zweiten Teil nächste Woche lest ihr, wie Videospiele es schaffen uns mit schlimmen Schuldgefühlen zu belasten und warum dieser ganze Aufwand überhaupt betrieben wird.
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