Digitale Unterstützung für Flüchtlinge: Interview mit Wefugees

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Mehr als eine Million Menschen sind in den letzten Jahren nach Deutschland geflohen. Viele von ihnen haben ihre Smartphones dabei. Das eröffnet große Möglichkeiten für digitale Angebote zur Unterstützung von Geflüchteten.

Dazu sprechen wir mit Thorgen von Wefugees, die eine online Plattform für Geflüchtete zur Verfügung stellen.

Vielleicht erklärst Du unseren Lesern selbst einmal kurz was genau ihr macht.

Wefugees ist eine online Community für Geflüchtete, Helferinnen und Helfer sowie Expertinnen und Experten aus der Flüchtlingshilfe. Wir bieten eine Plattform, auf der jeder seine Fragen zu verschiedensten Themen stellen kann. Geflüchtete können sich beispielsweise bei rechtlichen Angelegenheiten Hilfe holen oder fragen wie sie am besten neue Freunde finden können. Aber auch Ehrenamtliche können sich bei Problemen bei ihrer täglichen Arbeit an die Community wenden. Gleichzeitig kann jeder sein Wissen einbringen und Antworten geben – Freiwillige und Geflüchtete gleichermaßen. Sollte es mal etwas komplexere Fälle geben, stehen eine Reihe von Expertinnen und Experten bereit, die ihr Fachwissen einbringen können. Zum Beispiel haben wir zwei großartige Anwälte auf der Webseite .

Was bedeutet der Name “Wefugees”?

Der Name ist im Grunde eine Abkürzung für “We are all Refugees” oder “Welcome Refugees”. Er ist Ausdruck unseres Selbstverständnis: Wir möchten Integration durch Wissensaustausch ermöglichen und beschleunigen. Wir sind der Meinung, dass Integration in eine Gesellschaft und ihre Teilsysteme nur klappen kann, wenn man versteht wie die Menschen hier in Deutschland ticken und wie alles funktioniert. Gleichzeitig führt der Wissenstransfer in unserer Community zu einer effizienteren Bewältigung bürokratischer Hürden, da Besuche bei herkömmlichen Beratungsstellen vermieden werden können. Dafür braucht es allerdings einen Ort, an dem man Fragen stellen kann. Dieser Ort ist unsere Plattform wefugees.de.

Und woher kommt euer Slogan “Community without borders”?

Er ergänzt den Namen und drückt unsere Vision aus: Wefugees ist eine Community, in der Menschen zusammenkommen. Wo du herkommst, spielt dabei keine Rolle. Außerdem verweist der Slogan auf die niedrigschwellige Erreichbarkeit unseres Angebots. Schließlich hat fast jeder einen Laptop oder ein Smartphone mit Internetzugang und jeder verfügt über Wissen, das er oder sie teilen kann. Damit ist es so einfach wie nie zuvor, von zu Hause aus oder unterwegs in der Bahn zu helfen. Das Einzige was bis jetzt dazu gefehlt hat, war die entsprechende Plattform – die bieten wir.

Wie viele Menschen erreicht ihr mit eurer Plattform?

Momentan haben wir fast 1500 registrierte Nutzerinnen und Nutzer. Und es kommen jeden Tag neue dazu. Insgesamt wurden dabei fast 800 Fragen auf der Plattform gestellt, zu denen es meist mehrere Antworten gibt (Stand: April 2017).

Wie funktioniert die Kommunikation in der Community?

Die Kommunikation findet hauptsächlich auf Englisch und Deutsch statt. Aber wir haben immer auch Neuangekommende im Team. Sie helfen uns als Übersetzerinnen und Übersetzer wenn Fragen auf Arabisch und Farsi gestellt werden. Das dauert zwar vielleicht etwas länger, weil wir nicht direkt antworten können, aber es ist sehr hilfreich für User, die noch nicht so gut Deutsch sprechen oder kein Englisch verstehen.

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Leo und Thorgen im Interview

Du hast Experten und Partnerorganisationen erwähnt – wer gehört dazu?

Zunächst sind da unsere großartigen Partneranwälte Marcel, der für das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Mazars arbeitet, und Steven, die rechtliche Fragen sehr zügig klären. Außerdem leisten Avenir und Workeer Hilfe bei Fragen zum Einstieg in den Arbeitsmarkt und Aiden steht bei allen Fragen zur Selbständigkeit bereit. Kiron ist mit an Bord und unterstützt beim Bildungszugang. Für alle Fragen mit einem besonderen Fokus auf Berlin steht uns Solinar zur Seite. In München haben wir eine ähnliche Kooperation mit Hilfe von Mensch zu Mensch e.V. sowie mit der HR-Abteilung von Capgemini.

Mit anderen, zum Teil nur lokal tätigen Organisationen arbeiten wir projektbezogen zusammen. Zum Beispiel wenn wir unsere Community Events oder andere Workshops durchführen. Alle unsere Expertinnen und Experten machen das unentgeltlich. Allerdings haben sie davon einen Vorteil: Und zwar bieten wir nicht nur den Zugang zur Zielgruppe, sondern darüber hinaus die Möglichkeit, dass sie ihre offline Arbeit mithilfe der Plattform online erweitern können. Man kann also sagen, dass wir die Geflüchtetenhilfe insgesamt digitalisieren und damit effizienter und effektiver machen.

Wie finanziert ihr euch?

Wefugees ist gemeinnützig. Das heißt, dass wir keinen Gewinn im klassischen Sinne erwirtschaften. Deshalb kooperieren wir mit Unternehmen, die uns im Rahmen ihres CSR Programms Sponsoring bieten. Außerdem nehmen wir Spenden an und nutzen Fördermöglichkeiten, wie zum Beispiel Wettbewerbe für Start Ups.

Zu Beginn konnten wir zudem das Think Big Programm der Telefónica o2 und das Startery Stipendium von SAP im Social Impact Lab in Berlin in Anspruch nehmen. Das ermöglichte uns die kostenfreie Nutzung von Räumlichkeiten.

Glücklicherweise ist die Nutzung der Software, auf der die Plattform basiert, für uns ebenfalls gratis. Sie wird durch das Softwareunternehmen Enabee zur Verfügung gestellt und auch unentgeltlich gewartet.

Außerdem kann Henriette (Mitgründerin und Gesellschafterin von Wefugees) das Programm Engagement mit Perspektive (PEP) nutzen, um sich ein Jahr lang voll und ganz ihrer Arbeit bei Wefugees zu widmen.

Was steht für die Zukunft an? Was sind die nächsten geplanten Schritte?

Für dieses Jahr streben eine stärkere Verknüpfung von online und offline an. 2016 haben wir schon zwei Community Events in Berlin und München durchgeführt, bei denen wir Geflüchtete mit Expertinnen und Experten in Kontakt gebracht haben. Dabei ging es vor allem darum, ihre Fragen rund um den Arbeitsmarkteinstieg zu beantworten und bei der Vorbereitung von Vorstellungsgesprächen und Bewerbungsunterlagen zu helfen. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht und tolles Feedback bekommen.

Jetzt sollen noch weitere Workshops folgen. Zum Beispiel führen wir gerade eine Reihe von Veranstaltungen durch, bei denen wir Menschen an die Nutzung des Internets heranführen, die sich damit bisher noch nicht befasst haben. Das ist vor allem für geflüchtete Frauen interessant, die momentan in unserer Community noch unterrepräsentiert sind.

Danke für deine Zeit, Thorgen. 
Ich wünsche euch viel Glück und vielleicht sprechen wir uns ja nochmal wieder.

Danke Leo und dem TTN-Team für das Interview. Wir hoffen doch sehr, dass wir es nochmal schaffen ein Interview zu führen.

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