Die letzten Monate waren extrem ungewöhnlich für Intel. Der CEO ist weg, die High-End Performance-Krone wohl auch, es gab gleich drei neue Produktgenerationen und ebenso viele PR-Desaster. Was ist los mit dem blauen Giganten?
Januar 2017: Die Intel-Welt ist in Ordnung
Intel hat wirklich ereignisreiche Monate hinter sich. Noch im Januar 2017 sah dabei alles so rosig aus.
Die siebte Generation der Core-i Prozessoren, names Kaby Lake, strömte auf den Markt und der Core i7 7700K war mit seinen 4 Kernen und 8 Threads, die mit 4,2 Ghz takten, der unangefochtene König unter den Desktop-CPUs. Beim Spielen siegte der Prozessor souverän, aber auch im Bereich der Medienerstellung, vom Streamen bis zum Rendern, war er das Beste, was man außerhalb der teuren High-End Desktop (HEDT) CPUs, die einen anderen Sockel nutzen, kaufen konnte. Doch auch im luktrativen HEDT Sektor regierte Intel mit dem starken Core i7 6950X, der 10 Kerne und 20 Threads bei 3 Ghz knapp die doppelte Leistung eines 7700K bot. Das kostete allerdings. Mit über $1650 kostete der 6950X das Fünffache eines 7700K. Im Preis-Leistungssegment konnte ebenfalls niemand Intel das Wasser reichen. Der i5 7600K war mit 4 Kernen, die so schnell waren, wie die des 7700K, ein hervorragender Spiele-Prozessor und im Einsteiger-Bereich unter 100€ bot die 2 Kern und 4 Thread CPU, der Perntium G4560, die beste Performance.
Alles in Allem dominierte Intel also den Markt vollkommen. Der frühere Konkurrent AMD konnte nirgedwo auch nur annähernd Schritt halten und hielt sich mit seinen Grafikkarten und den Konsolen von Microsoft und Sony über Wasser. Der Plan für die Zukunft stand daher fest. Zum Ende des Jahres sollten die HEDTs auf Skylake-Basis kommen und den 6950X ablösen und 2018 galt es dann mit der achten Generation einfach weiter zu machen. Das passierte natürlich alles ganz anders.
März 2017: AMDs Angriff
Der Konkurrent AMD veröffentlichte eine neue Prozessor-Architektur. Das Unternehmen hat Jahrelang alles komplett auf den Kopf gestellt und die Prozessoren von Grund auf neu konzipiert. Die Architektur heißt Zen und die neue CPU-Reihe heißt Ryzen. AMD startet die breit angelegte Offensive mit einem Frontalangriff auf den Core i7 7700K. Der Ryzen7 1700 war 10% günstiger als der 7700K, bot aber gleich doppelt so viele Kerne und doppelt so viele Threads wie die Intel CPU. Dafür Taktete der Prozessor mit 3,0 Ghz eher gemächlich. In Spielen blieb der 7700K ungeschlagen. Intel konnte mit seinem hohen Takt einfach mehr Bilder pro Sekunde darstellen. Doch auch der 1700 konnte so weit Schritt halten, dass nur E-Sportler, die auf Monitoren jenseits der 120Hz spielen, einen wirklichen Vorteil von Intels Flaggschiff hatten. In Multimediaanwendungen, wie dem Streamen und Rendern von Inhalten wurde der 7700K allerdings vollkommen zerlegt. Anwendungen, die mit den 16 Threads des Ryzen umgehen können, waren auf der AMD-CPU gute 50% schneller. Doch auch Intels HEDTs gerieten in Gefahr. So schlug AMDs Top-Modell, der 1800X, Intels zweitstärksten Prozessor, den Core i7 6900K, in Profianwendungen, obwohl der Core i7 doppelt so teuer war. Nur der Core i7 6950X rettete Intels Performance-Krone mit 12% mehr Leistung, kostete aber mehr als drei Mal so viel wie AMDs Ryzen7 1800X.
Auch im mittleren Preissegment konnte AMD dem Konkurrenten hart zusetzen. Die Ryzen 5 Famile zielte direkt auf die Core i5 Familie von Intel ab. Mit dem 1600X bot AMD 50% mehr Kerne als ein i5 und dank SMT gleich 300% mehr Threads. In Spielen behielt Intel, auch hier die Nase knapp vorne, ohne, dass die meisten Spieler den Unterschried merken würden, doch im Multimedia-Bereich sah der i5 kein Land. Der Ryzen bot zum gleichen Preis 57% mehr Leistung und bot somit das beste Preis-Leistungs Verhältnis im gesamten Markt. So viel Leistung hatte niemand von einem $250 Prozessor in 2017 erwartet, denn der 1600X überflügelte sogar den 7700K.
AMD verpasste Intel einen unerwartet harten Schlag.
Juni 2017: Das X299-Desaster
Nach dieser Herausforderung von AMD musste Intel antworten und genau das taten sie auch. Die neuen HEDT-Prozessoren wurden vom Ende des Jahres in den Juni vorgezogen. Die neue und aktuelle Plattform hört auf den Namen X299 und behaust auf dem Sockel 2066 ganze neun Prozessoren. Den Anfang machten im Juni allerdings der günstigere Teil der Produktlinie und sorgte für große Aufregung. Vier der 5 Prozessoren, die Intel anbot konnten die X299 Plattform schlichtweg nicht voll ausnutzen. Anstatt der möglichen 44 PCIe Lanes nutzten der 7800X und 7820X nur 28 Lanes. Intel hatte die, für Profis wichtigen, PCIe Lanes in der CPU limitiert obwohl ein 7820X ganze $599 kostete. Der Skandal um den kleinen Bruder, den 6-Kernigen 7800X sollte später im Jahr noch folgen. Erst einmal sorgten die Kaby Lake X Prozessoren, der i5 7640X und der i7 7740X für Aufsehen. Sie unterschieden sich in keister Weise von ihren nicht-X Geschwistern, die aber auf einer viel günstigeren Plattform liefen. Weder beherrschten sie Quad-Channel RAM für schnellen Arbeitsspeicher, noch boten sie mehr PCIe Lanes.
Bei all der schlechten Presse beim Launch der X299 Plattform im Juni 2017 ist das damalige Flaggschiff und der erste Core i9 Prozessor in Intels Geschichte fast untergegangen. Der 7900X ist der Nachfolger des 6950X. Er überzeugte mit höheren Taktraten, vollen 44 PCIe Lanes, Quad-Channel RAM und dem 10 Kerne/20 Thread Layout für den halben Preis eines 6950X. Der neue i9 7900X sicherte Intel vorerst die Performance-Krone, kostete für die 35% mehr an Leistungen gegenüber einem Ryzen 1800X aber auch das Doppelte.
August 2017: Threadripper holt die Krone
Doch auch auf X299 schien AMD eine gute Antwort parat zu haben. Mit den Threadripper-Prozessoren bot AMD auf der, natürlich zufällig benannten, X399 Plattform eine neue HEDT Linie an. Angeführt wurde die Produktlinie vom mächtigen Threadripper 1950X, einem 16 Kern/32 Thread Monster, das mit $1000 den gleichen Preis wie ein i9 7900X hatte. Gleichzeitig bot der 1950X aber satte 35% mehr Leistung als Intels Konkurrenz. Sogar der $200 billigere Threadripper 1920X schlug Intels zu dem Zeitpunkt schnellste CPU um ein paar Prozentpunkte. Zudem leistete sich der Herausforderer keine PR-Desaster. Auch AMD bot, mit dem 1900X, einen Prozessor an, der dem aktuellen Spitzenmodell der Ryzen 7 Serie, dem 1800X zum verwechseln ähnlich war. Doch anders als bei Intel nutzte der 1900X alle Vorteile der X399 Plattform. So konnte der Prozessor den Arbeitsspeicher im Quad-Channel ansprechen und hatte Zugriff auf unfassbare 64 PCIe Lanes. Der Krieg um die wichtige HEDT-Krone war vom Zaun gebrochen. AMD bot zum ersten Mal in einer Ewigkeit den schnellsten Prozessor, den man kaufen konnte.
September 2017: Die Core i9s schlagen zurück.
Das konnte Intel nicht auf sich sitzen lassen und schon im September folgte die Antwort mit weiteren i9 Porzessoren. Besonders der i9 7980XE bot mit seinen 18 Kernen und 36 Threads und den daraus resultierenden 15% an Leistungszuwachs gegenüber AMDs bester HEDT-CPU einen nicht zu schlagenden Gegner. Intel holte sich die Leistungskrone zurück, verlangte dafür aber auch den doppelten Preis des teuersten Threadripper. Der 7980XE ließ sich zudem sehr gut übertakten und konnte, entsprechender Kühlung und einem Delid, auf über 4,6 Ghz geprügelt werden. Das sind ganze 2 Ghz mehr als auf der Verpackung stehen.
Oktober 2017: Coffee Lake ist super
Doch damit war der Kampf im Jahr 2017 nicht vorbei. Intel zog den Start der achten Geration der Core i Prozessoren in den Oktober vor. Das Top-Modell ist der Core i7 8700K. Zum ersten Mal in der 9 Jährigen Geschichte der Core-Prozessoren erhöhte Intel die Anzahl der Kerne für seine nicht-HEDT Linie. Der 8700K bietet sechs Kerne und 12 Threads bei 3,7 Ghz und kostete nur $10 mehr als sein Vorgänger 7700K. In Spielen konnte dem 8700K niemand etwas anhaben und auch im Multimedia-Bereich reichte er an die Leistung eines Ryzen 1800X heran. Auch die neue Core i5-Linie bekam 50% mehr Kerne spendiert. Der neue 6-Kern Core i5 8600K könnte in Spielen die Ryzen-Konkurrenz ohne Probleme schlagen und dank der hohen Taktraten auch im Multimedia-Bereich mithalten. Doch der Launch der neuen Prozessoren sorge auch für großen Unmut bei Intel-Nutzern. Wer sich noch im Juni einen i7 7800X auf der X299 Plattform gekauft hatte musste nun mit ansehen, wie der mehr als 100€ günstigere 8700K auf einer deutlich günstigeren Plattform mehr Leistung erzielte. Wer sich also einen Intel-Prozessor holte, der im ersten Halbjahr von 2017 auf den Markt kam, musste ganze vier Monate später zusehen, wie Intel zum gleichen Preis deutlich stärkere Prozessoren auf den Markt brachte. Die Leistung eines 7700K konnte man nun in einem i5 8600K bekommen, für deutlich weniger Geld.
Mit der achten Core i Generation, Coffe Lake genannt, meldete sich Intel aber zurück und bot klar die besten Prozessoren für Spieler und Hobbyanwender im Multimedia-Bereich an. Doch Intel musste zum ersten Mal wieder kämpfen und ganze zwei Produktstarts nach vorne verschieben. AMD hatte für 2017 keine neuen Produkte mehr im Köcher, senkte aber die Preise der eigenen CPUs.
Januar 2018: AMD greift im Low-End an
Ein neues Jahr und ersteinmal keine neuen Intel-Prozessoren. Intel war noch damit beschäftigt seine achte Generation Core i Prozessoren auszurollen. Durch die verfrühte Veröffentlichung dauerte es einige Monate, bis auch schwächere CPUs, zum Beispiel für Laptops bedient werden konnten. Doch AMD startete das Jahr mit einer neuen APU, auf der sowohl die CPU als auch die GPU zusammen auf einer Platine sitzen. Der Ryzen 5 2400G und der kleinere Ryzen 3 2200G mischten unerwartet den Einsteigerbereich auf. AMD verband Ryzen-Prozessoren mit den eigenen Vega Grafikeinheiten und bot diese für $170 und $99 an. Die APUs waren stark genug um aktuelle Spiele stabil laufen zu lassen. Der 2400G machte einer der beliebten Kobination aus Intels Einstiegs-CPU dem Pentium 4560G und einer Nvidia GT 1030 in Spielen stakre Konkurrenz. Der kleinere 2200G ist bis heute konkurrenzlos wenn es darum geht einen Computer für Spiele wie Fortnite, Overwatch oder Rocket League zu bauen und das so günstig wie möglich zu machen.
Januar 2018: Die Hiobsbotschaft
Es folgte eine Hiobsbotschaft für die gesamte Branche. Mit Spectre und Meldown wurden die größten und weitreichendsten Sicherheitlücken in Prozessoren der Geschichte gefunden und veröffentlicht. Die Lücke liegt im Herz von mehreren Generationen an Prozessoren und die Behebung des Sicherheitsrisikos bedeutete, dass die Prozessoren an Leistung einbüsten. Intel war zwar schwer betroffen, doch auch AMD war betroffen. Die Unternehmen gaben Millionen für die Bereitstellung von Patches aus und Intel musste einen Patch sogar wieder zurück rufen, weil er selbst Fehler enthielt.
März 2018: AMDs erneuter Griff nach der Krone
Im März veröffentlichte AMD schließlich die Ryzen 2000er Serie, die auf einer verbesserten Architektur der ersten Ryzen basiert. Dank der höheren Taktraten des Ryzen 7 2700X im Gegensatz zum Vorgänger konnte sich AMD mit dem Prozessor wieder gleich auf mit Intels 8700K positionieren. In Spielen ist der 8700K noch immer ungeschlagen, doch wer dazu noch streamt, der kommt mit dem 2700X deutlich besser weg. Zudem packte AMD zum Prozessor noch einen brauchbaren CPU-Kühler mit RGB-Beleuchtung dazu. Der 8700K bekommt dieses Extra nicht spendiert.
Juni 2018: Intel blamiert sich bis auf die Knochen
Auf der Computex in Taiwan läutete AMD schließlich die nächste Runde im HEDT Krieg ein und kündigte Threadripper 2 an. Die neuen HEDT-CPUs würden in der stärksten Version über wahnwitzige 32 Kerne mit 64 Threads verfügen. Eine handfeste Überraschung. So viele Kerne konnten sich selbst Profis bis dato nur im Form von einem Server erträumen. AMD griff auch sogleich Intels stärkste CPU, den i9 7980XE, an und zeigte eine Demo in der der neue Threadripper den i9 düpiert.
Intel war ebenfalls auf der Computex und zeigte ebefalls einen neuen HEDT Prozessor. Intel zeigte eine 28 Kern/56 Thread CPU, die mit 5 Ghz lief. Sie ließen sogar den weit verbreiteten Cinebench R15 als Benchmark laufen in dem der Prozessor fast doppelt so schnell wie der i9 7980XE war. Doch anstatt Jubeklschreien erntete der Riese aus dem Silicon Valley Spott, Hohn und heftige Kritik. Schnell stellte sich heraus, dass Intel keinen neuen Prozessor gezeigt hatte, sondern einfach ihre stärkste Server CPU genommen hatte und die massiv übertaktet auf die Bühne gestellt hatte. Doch die angepriesenen 5 GHz sind in der Realität nicht zu erreichen. Um den Prozessor zu kühlen nutzte Intel eine Wasserkühlung, die an einen Chiller, praktisch ein Eisfach, angeschlossen war. So wurde das Wasser in der Wasserkühlung auf fast 0 Grad Celsius gekühlt. Ein solches Setup ist natürlich im Alltag absolut lächerlich und Intel hatte dies auf der Bühne aber nicht klar gestellt. Anstatt eines großen Auftritts musste sich Intel entschuldigen und einräumen, dass sie diese extravagante Kühllösung wohl besser erwähnt oder zumindest nicht versteckt hätten.
Doch die Intel-Nachrichten brechen nicht ab. Nur 2 Wochen nach der Computex trat der Vorstandsvorsitzende Brian Krzanich mit sofortiger Wirkung zurück nach mehr als 25 Jahren im Unternehmen und 5 erfolgreichen Jahren als CEO. Krzanich hatte eine Beziehung mit einer anderen Mitarbeiterin gehabt. Das war aber laut seinem Arbeitsvertrag verboten. Der frühere Intel-Chef stand aber schon des Längeren in der Kritik, weil er im November, als er schon von Spectre wusste, die Öffetnlichkeit aber noch nicht informiert war, mehrere Millionen an Intel-Aktien verkauft hatte.
August 2018: AMD hat die High-End Krone zurück
Nun ist August und AMD veröffentlicht nächste Woche die neuen Threadripper 2 Modelle. Sie benötigen gegenüber dem Vorgänger kein neues Motherboard und mit dem Threadripper 2990WX gibt AMD an Intels Flaggschiff, den i9 7980XE, um mehr als 50$ zu schlagen, bei einem $200 günstigeren Preis.
Doch auch Intel wird noch bis zum ende des Jahres die neunte Core i Linie auf den Markt bringen und auch wenn die 28-Kern CPU auf der Computex in unrealistischem Maße übertaktet war, ist es durchaus möglich, dass sich Intel auch im Jahr 2018 wieder die Performance-Krone aufsetzen kann.
Eines ist in den letzten 18 Monaten jedoch klar geworden. Intel ist nicht mehr so unangefochten und Intel stand extrem unter Druck. Es wird spannend zu sein, wie sich Prozessoren nun weiter entwickeln. Für uns Nutzer war die zeit nämlich fantastisch. Die Leistung von Prozessoren ist im letzten Jahr so stark gestiegen, wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr.
Würdet ihr euch derzeit einen Intel oder einen AMD Prozessor kaufen?
Schreibt uns gerne in die Kommentare welches Modell euch am meisten interessiert.